Wie viele Töne
gibt es? -
Unsere Vorstellung von Tönen wird vor allem von der Notenschrift
geprägt - und noch weitaus mehr von den Klaviertasten geprägt:
sieben weiße Tasten sind's in der Oktave - entsprechend den 7
Tonstufen der Dur- und auch der Molltonleiter, dazu die fünf schwarze
Tasten, welche die sieben weißen zur chromatischen Skala ergänzen
- insgesamt also zwölf, und über die ganze Klaviatur sind
es 85 (88). Aber stimmt diese Annahme noch?
Denn im Grunde genommen
ist die Zahl der Töne unbegrenzt, und die für die Musik relevanten
Töne sind eigentlich alle hörbaren Töne.
Physikalisch wird
die Tonhöhe durch die Wellenlänge, beziehungsweise durch die
Frequenz (Anzahl der Schwingungen pro Sekunde) festgelegt - also stehen
für die Musik alle Tonhöhen zwischen 16 und 20 000 Hz (das
ist der Hörbereich) zur Verfügung - und bedenkt man, daß
diese Schwingungszahlen nicht unbedingt ganze Zahlen sein müssen,
dann ist ihre Anzahl wirklich so gut wie unbegrenzt!
Also muß aus
der Vielzahl der Töne eine Auswahl getroffen werden.
Dies geschieht, indem man Intervalle bildet, also zwei verschiedene
Töne zueinander ins Verhältnis setzt: hierbei entstehen aus
Frequenzverhältnissen Zahlenverhältnisse (Proportionen), die
im günstigsten Fall aus kleinen ganzen Zahlen bestehen.
Solche Schwingungsverhältnisse
lassen sich sehr viel besser heraushören als Proportionen mit größeren
Zahlen - und sie sind uns in der Musik vertraut: Das einfachste Verhältnis
von Schwingungen zueinander, die Proportion 2:1 ist das Oktav-Intervall,
das Frequenzverhältnis von 3:2 bildet die Quinte, von 4:3 die Quarte,
5:4 die große Terz und 6:5 die kleine - umgekehrt bildet das Frequenzverhältnis
8:5 die kleine Sext und 5:3 die große.
Diese Proportionen
lassen sich auch aus der Saitenteilung herleiten - sie entsprechen genau
der Umkehrung des Verhältnisses der abgeteilten Saite zur ganzen
Saite. Die Verkürzung einer Saite um ein Drittel läßt
2/3 der Saite schwingen, es erklingt, im Verhältnis zum Ton der
leeren Saite, die Quint. Ebenso läßt die Verkürzung
um ein Viertel (3/4-Saite schwingt - ) die Quarte hören, ein Fünftel
(4/5 - Saite) die große Terz und so fort. Ähnlich verhält
es sich mit den Längen der Luftsäulen bei den Blasinstrumenten.
Dem Zusammenklang
treten weitere Töne hinzu, die nicht unmittelbar am Instrument
erzeugt werden, aber physikalisch existent und deshalb hörbar sind
- es sind dies die Differenztöne. Bei "reinen" Intervallen
mit niedrigen Zahlenproportionen stehen auch die Differenztöne
zu den gespielten Tönen im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen:
bei einer Quarte mit dem Schwingungsverhältnis 4:3 beispielsweise
verhalten sie sich wie 2:1, 3:1 und 3:2, - und damit stehen die hörbaren
Töne beim Quart-Intervall im Verhältnis 4:3:2:1 zueinander.
In diesem Fall sind die Differenztöne die Oktavierungen des oberen
Intervall-Tons (4) nach unten und verstärken die Grundton-Wirkung
(ein Grund dafür, weshalb die reine Quarte als harmonisches, konsonantes
Intervall gehört wird).
Diese vier Töne
bilden auch das Fundament der Naturtonleiter (und entsprechen der Stimmung
der vier Saiten der indischen Sitar). Die Töne der Naturtonskala
verhalten sich also wie 1:2:3:4:5 usw, das bedeutet: ihre Tonhöhe
ist jeweils ein ganzzahliges Vielfaches der Tonhöhe des Grundtons
mit dem Faktor 1. Die Oktave darüber hat den Faktor 2 (dies ist
der erste Oberton), die folgende Quinte den Faktor 3, und so steigt
die Natortonreihe beständig mit stets kleiner werdenden Intervallen
an.